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Wenn du deinen Therapeuten hasst oder: Separator mit Augenzwinkern

„Ich hasse dich!“, äußerte neulich eine Klientin.

„Ich dich auch.“, war meine Reaktion.

Was sich auf den ersten Blick liest wie eine vermessen – unprofessionelle Diskussion, geschah neulich wirklich so in meiner Praxis.

In Absprache mit dieser Klientin darf ich von unserem Termin berichten. Denn sie sagt:
„Wenn ich mit meiner Geschichte irgendeinem Menschen weiterhelfen kann, dann macht es mich glücklich.“

Meine Klientin, „B.“, ist in den besten Jahren ihres Lebens – zumindest vom Alter her. Als sie zu mir kam, fühlte sie sich absolut nicht mehr lebenswert. „Wofür mache ich das alles?“, war ein nicht selten gedachter Satz.

Ursprünglich wurde sie mit einem Thema vorstellig, was ich gerne als „Alltagstrauma“ oder „Hummelthema“ bezeichne (von Hummeln, Elefanten und Mammuts bitte hier klicken – Trauma-Trichter).

Doch es wurde recht schnell klar, dass B. mehr als nur „Hummeln“ im Gepäck hatte.

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht weiter auf die individuellen und zahlreichen „Mammuts“ meiner Klientin eingehen, sondern schlichtweg dazu einladen zu überlegen, was das wohl sein könnte. Und auch dazu, sich selbst zu fragen, ob möglicherweise ein eigenes „Mammut“ im eigenen Gepäck sein könnte. Also eigene Prägungen, Erlebnisse, kurz: schlimme, unverdaute Dinge.

Ich möchte hier gar nicht Bs. traumatische Erfahrungen ausbreiten, auch nicht den bisherigen Prozess komplett aufrollen.

Ich nehme dich mit in einen spannenden Ausschnitt eines einzelnen Termins.

Ich möchte dir diesen besonderen Ausschnitt fachlich erklären, fast psychoedukativ.

Damit du besser weißt, was in solchen Terminen passiert, was sich bewegen kann und auch, dass du sicher bist.

Bereit?

Der Prozess

B. befand sich an einem Punkt, an dem sie sich mit einem ihrer schwersten Erlebnisse auseinandersetzen wollte.

An einem Punkt, an dem sie dies aufgrund ihrer Vorarbeit mit mir auch konnte: Sie war im Therapietermin stabil, geerdet, stark genug für diesen Schritt.

Durch einen zu B. passenden Methodenmix befanden wir uns im Verarbeitungs-Prozess eines „Wumms-in-der-Bude – Themas“:

B. erlebte eine emotionale Dusche mit körperlichen Ab-Reaktionen, die durchaus sehr, sehr intensiv sein können. Das ist völlig normal und nichts Ungewöhnliches.

Bei einem Trauma handelt es sich, vereinfacht gesagt, um „festgeklebte“, statische Emotionen aus der Vergangenheit. Durch unseren Methodenmix kommen diese Emotionen in Bewegung, Nur so kann das limbische System, Stammhirn und Co. das das Erlebte einsortieren, integrieren und verarbeiten.

Nur, wenn ein Klient das weiß, diese „Turbulenzen“ vorher erklärt bekommen hat und sich sicher und stabil fühlt, gelingt der Prozess.

Der Moment

Auch B erlebte eine solche intensive Reaktion. Sie war zu dem besonderen Zeitpunkt, den ich nun erwähnen möchte, dabei, diese „Winkedusche“ (EMDR), den heftigen Moment, zu verstehen, einzusortieren, wahrzunehmen, zu verdauen.

Sie fragte oft: „Was war das denn jetzt?“

Was ich dann sehr gerne tue: Ich nutze die Kraft eines Separators. Und dieser Separator ist oft mit einem Augenzwinkern versehen.
In diesem Moment leuchtete Bs. Gesicht in intensivem Rot. So sehr durchblutet. So viel geschah in ihr. Wichtig war, B. kurz aus ihrem Prozess herauszuholen und mit besagtem Augenzwinkern zu ihr zu sagen:
„Wenn du im Meer treiben würdest, würde jedes Schiff um dich herumfahren.“ (Leuchtbojen-Look).
B. nahm mein Augenzwinkern sofort an, sie konnte kaum anders als selbst zu lächeln, mitten in diesem sonst so anstrengenden Prozess, um dann mit eben diesem Augenzwinkern zu sagen:

„Ich hasse dich!“. Mit einem Lachen.
Manch ein Therapeut mag erzürnt gewesen sein ob dieser Aussage. Ich indes nicht. Im Gegenteil.

Mein Gefühl täuschte mich nicht, dass diese Worte etwas ganz Anderes aussagten, als es sonst landläufig üblich ist (was B. am Ende des Termins auch bestätigte). Sie äußerten Erleichterung, Befreiung, Dankbarkeit. Vielleicht auch für diesen Moment. In dem ich sagte „Die Schiffe umfahren dich“, anstatt B. in ihrem anstrengenden„Schneekugelmoment” , den eine traumaauflösender Prozess oft mit sich bringt, einfach sitzen zu lassen.

Die Theorie dahinter

Um den Prozess aus therapeutischer Sicht verständlich zu machen: Es ist oft sehr wichtig und heilsam, zum richtigen Zeitpunkt in diese anstrengende Schwere eine kleine Brise Leichtigkeit einfließen lassen.
Außerdem ist es sehr, sehr wichtig, dass der Klient, hier nun B., wieder zurück ins Hier und Jetzt kommt. Auf den bequemen Stuhl in unserem Raum. An meine Seite. Und zurück aus der feststeckenden Erinnerung ins Hier und Jetzt.

Zu diesem Zweck bot sich bei B. so etwas, also ein Separator mit Augenzwinkern, einfach sensationell gut an.

Mit dem Ziel, wieder für Erdung zu sorgen.

Und B. zu zu unterstützen, um in ihre Stabilität und in ihre Kraft zu kommen.

Um erst dann zu schauen, ob der Prozess fortschreiten darf.

Um dann ggf. weiter machen zu können. Wie bei B. Danach geschehen.

Denn ansonsten erscheint der Prozess für viele Klienten wie eine Lawine, die rollt und rollt und nochmal rollt. Das geht einfach nicht. Das überrollt.

Bs. Reaktion auf den Separator mit Augenzwinkern, ihr geschmunzeltes „Ich hasse dich!“ signalisierte mir jedoch, wie ich schon schrieb, eher Dankbarkeit für diese Unterbrechung, für die Leichtigkeit und für diesen Moment gezeigt.
Meine Antwort war entsprechend angepasst: Mit einem gelächelten „Ich dich auch.“ Und ich bin mir sicher, dass meine Klientin diese Reaktion komplett richtig eingeschätzt hat. Nicht nur, weil sie es zurückmeldete. Sondern weil ich ihre Sprache wählte. Mein „Ich dich auch“ kam, so sagte sie, bei B. an, wie „Ja, ich schätze dich und unsere Arbeit auch sehr.“ Komplett richtig. Es sagte auch aus: „Ich bin dankbar und froh, dich in deinem Prozess begleiten zu dürfen. Dass du das Vertrauen mitbringst. Dass du dich dem Ganzen hier stellst. Dass du das rockst. Du bist diejenige, die durch die Emotionen geht. Ich bin nur zu Besuch in deiner Seele.“

Und: B. wusste (danke an dieser Stelle für diese korrekte Einschätzung an B 😉 ), dass sie, sollte doch mal irgendetwas sein, gemeinsam mit mir wieder in die Stabilität zurück finden würde.

Durch eine Methodenmischung aus wingwave / Hypnotherapie / EMDR wagten wir uns vor, hin zu Bs „Mammut ihres Lebens“. In Bs eigenem Tempo, stets auf Sicherheit und Stabilität bedacht.

Was war dieser Dialog nun? War es wirklich ein Auszug aus einer vermessen – unprofessionellen Diskussion?

Natürlich war es das nicht. Sondern eine wertvolle, wichtige Intervention.

Denn: Es ist gar nicht so sehr wichtig, was B. da sagte. Kein Grund, sich als Therapeut darüber zu ärgern. Im Gegenteil. Es ist wichtig, auf das Warum zu achten. Auf den Zeitpunkt und den Nutzen. Und nicht zuletzt, wie wir beide damit umgegangen sind.

Meine Klientin B. und ich möchten dir gemeinsam Mut machen. Mut dazu, sich mit eigenen schwierigen Themen auseinander zu setzen. Sie zu verarbeiten. Ohne dabei „drauf zu gehen“. Sondern, um sich zu befreien.

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