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Über die Kraft des Unerwarteten (inkl.Übung)

Wenn der Urlaub plötzlich anders verläuft Teil 2 

Sicherheit – innen und außen

Wie wir auf das Unerwartete reagieren, hängt nicht nur davon ab, wo wir sind – sondern auch, wie es in uns aussieht.

Äußere Sicherheit ist maßgeblich. Sie kann hilfreich sein. Sie kann beruhigen.
Aber nachhaltige Entspannung entsteht dort, wo wir auch innere Sicherheit erleben:

  • das Gefühl, mit dem, was kommt, nicht allein zu sein
  • eigene Strategien zu kennen
  • zu wissen, wie man sich selbst regulieren kann

Innere Sicherheit lässt sich – mit Geduld und liebevoller Unterstützung – stärken.

Manchmal durch kleine tägliche Rituale.
Manchmal durch neue Erfahrungen.
Und oft durch einen Menschen, der einen achtsam begleitet.

Meine Erfahrung zeigt: KlientInnen, die ich begleiten durfte, hin zu mehr innerer Sicherheit, werden meist auch weiterhin durch unvorhersehbare Momente durchgeschüttelt. Machen wir uns nichts vor. Das ist menschlich.

Doch sie kommen deutlich schneller wieder in die Spur. Dank ihrer neuen Kraft. Der Sicherheit im Inneren. So kann auch inmitten des Unvorhergesehenen etwas Stabilität spürbar sein.
Oder sie finden schneller wieder dorthin zurück.


Warum Überraschungen so stark wirken

Überraschungen, egal ob im Urlaub oder daheim, wirken so intensiv, weil unser Gehirn ständig versucht, Vorhersagen über die Welt zu machen. Diese Erwartungsmodelle helfen uns, sicher durch den Alltag zu navigieren.

Wenn etwas Unerwartetes passiert, entsteht ein sogenannter „Prediction Error“: Das Gehirn muss umschalten. Das kostet Energie. Das ist anstrengend – und aktiviert automatisch unsere Schutzsysteme.

Je nachdem, wie wir geprägt sind, erleben wir solche Überraschungen als harmlos – oder als bedrohlich.


Wenn das Leben tief erschüttert – und etwas Neues wächst

Manche Überraschungen sind nicht nur unerwartet. Sie sind schmerzhaft.
Sie greifen in unser Leben ein, reißen Wunden auf, stellen alles infrage, was vorher Halt gegeben hat. Es sind Momente, in denen wir am liebsten alles rückgängig machen würden.

Und doch: Inmitten dieser Erschütterung liegt manchmal – nicht immer, aber manchmal – auch eine Spur von Entwicklung.
Psychologisch spricht man in solchen Fällen von posttraumatischem Wachstum: der Möglichkeit, durch eine Krise nicht nur zu überleben, sondern innerlich zu wachsen.

Nicht, weil das Schlimme gut war. Sondern weil es etwas in Bewegung bringt.

Weil alte Sicherheiten nicht mehr tragen – und dadurch Raum entsteht für neue.

Weil wir gezwungen sind, Fragen zu stellen, die wir lange nicht stellen wollten. Und manchmal Antworten finden, die uns stärker, klarer oder verbundener machen.

Solche Prozesse brauchen Zeit. Und sie brauchen einen sicheren Rahmen.
Manchmal hilft das Gespräch mit einem vertrauten Menschen.
Und manchmal ist es genau das, was Therapie oder Coaching bieten können: einen Raum, in dem aus Bruchstücken etwas Neues entstehen darf. Schritt für Schritt. In Ihrem Tempo.


Kleiner Reminder: Überraschungen sind nicht immer negativ

Bei all der Schwere in den obigen Zeilen möchte ich betonen:

Manche Überraschungen sind auch schön:

  • 💌 Eine Nachricht von einem alten Freund
  • 🌅 Ein Sonnenaufgang, den wir so nicht erwartet haben
  • 💡 Eine Erkenntnis, die uns innerlich befreit

Oder auch, wie tatsächlich bei mir geschehen, überraschend und nach 13 Jahren Beziehung unvorhergesehen einen Antrag zu bekommen und 6 Tage später auf Costa Rica bei einer vom Gatten geplanten Trauung einen Ring am Finger zu haben 😉

Ob wir eine Überraschung als positiv oder negativ erleben, hängt von vielen Faktoren ab:

  • unserem inneren Zustand
  • unserer aktuellen Resilienz
  • unseren früheren Erfahrungen
  • und manchmal schlicht vom Kontext

Fazit: Das Leben ist nicht planbar – aber begleitbar

Urlaube, wie das Leben, folgen selten einem perfekten Drehbuch. Sie berühren uns dort, wo wir verwundbar sind – aber auch dort, wo wir wachsen können.

Manchmal brechen alte Ängste auf. Manchmal zeigt sich eine innere Stärke, von der wir nicht wussten, dass sie da ist. Und manchmal ist beides gleichzeitig wahr.

Innere Sicherheit ist kein Zustand, den man einmal erreicht und dann abhaken kann. Sie ist ein Weg. Ein Werden.
Ein Weg, der nicht immer geradlinig verläuft – aber einer, den man nicht allein gehen muss.

 

Vielleicht nicht so, wie wir es erwartet hätten. Aber vielleicht genau so, wie es jetzt sein darf.


🌱 Übung: „Aus dem Bruch etwas Ganzes formen“

Für alle, die mögen, ergänze ich gern wieder eine Übung. Sie ist inspiriert von der japanischen Kintsugi-Philosophie und den Imaginationsmethoden der Traumatherapeutin Luise Reddemann

Diese Übung hilft Ihnen, mit Erschütterungen umzugehen, daran zu wachsen und Vertrauen in Ihren inneren Weg zu finden.
Ich schreibe in DU-Form, das macht das Üben leichter 🙂


🔹 Vorbereitung:

  • Finde einen ruhigen Ort.
  • Nimm dir 10–15 Minuten Zeit.
  • Sitze oder liege bequem.

🔹 Anleitung:

  1. Atme bewusst ein und aus.
    Spüre den Boden unter dir.
    Sag dir: „Ich bin hier. Ich bin sicher.“
  2. Stell dir ein zerbrochenes Stück Ton oder Porzellan vor.
    Vielleicht liegt es in deiner Hand.
    Es steht für etwas, das dich verletzt oder erschüttert hat.
  3. Schau es dir an – ohne Urteil.
    Welche Gefühle tauchen auf?
    Welche Erinnerungen?
    Lass alles da sein. Du musst nichts reparieren.
  4. Jetzt stell dir vor, wie du die Stücke wieder zusammensetzt.
    Nicht wie vorher. Sondern neu.
    Mit goldener Farbe. Mit Liebe.
    Wie bei der japanischen Kintsugi-Kunst, bei der Risse sichtbar bleiben – und wertvoll werden.
  5. Betrachte dein neues Werk.
    Es erzählt deine Geschichte.
    Es ist nicht perfekt – aber kraftvoll.
    Und vor allem: ganz.
  6. Zum Abschluss sag dir einen stärkenden Satz:
    „Ich darf neu beginnen – mit allem, was war.“
    „Ich bin heilbar – auch wenn Narben bleiben.“
    Oder einen Satz, der aus deinem Inneren kommt.

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