“Das wäre echt kein Job für mich.“ , höre ich so oft. Und dabei werde ich erschrocken und fast mitleidig angeschaut. Ich glaube, der Grund, warum viele auf mein „Ich bin Trauma-Coach“ so reagieren ist, dass sie denken, ich wühle nur im Dreck und belaste mich mit den Problemen anderer.
Wahrscheinlich annehmend, dass sie selber diese Arbeit belasten und depressiv machen würde.
Wenn sie nur wüssten…
…wie GUT es mir tut, genau diese Arbeit zu tun.
Nicht, weil ich unter einem Helfersyndrom leide. Nicht, weil ich mich an andererleuts Problemen aufgeile (um Gottes Willen!) und auch nicht, weil mir andererleuts Probleme zeigen, wie gut es mir eigentlich geht.
All das wäre möglich und sicher bei manch einem meiner Kollegen der Fall. Ich für mich kann nur sagen: Das ist völliger Humbug.
(Mal abgesehen davon, dass zu mir nicht nur Menschen mit den Traumathemen nach Klischee kommen (Missbrauch , Tod, Krieg, Verlust), sondern auch Menschen mit Beziehungsthemen, Selbstwertthemen, bis hin zu Schulverweigerern ist alles dabei. Kaum einer weiß darum, dass der Traumabegriff mittlerweile ein erweiterter ist. Mehr Infos HIER.
Nein, es ist ganz anders.
Ich möchte Ihnen und euch die drei Wahrheiten beschreiben, wie es wirklich ist. Was in meiner Arbeit passiert. Und die die drei Gründe und Dinge, warum sie mich glücklich macht.
1) Gemeinsam auf der Suche nach Schätzen der Psyche – um sie dann zu finden!
Es tut mir gut, Menschen in schmerzhafter Not stabilisieren zu dürfen.
Das ist eine der wichtigen Phasen in der Traumatherapie und dem Trauma-Coaching. Da zu sein. Ressourcen zu wecken und nutzbar zu machen.
Meine Klienten haben so viel Kraft in sich, die sie unter dem Ballast ihres Seins einfach vergessen haben, nicht abrufen können.
Gemeinsam auf diese Schatzsuche zu gehen, das schafft Hoffnung, Perspektive und Stabilität.
Und, ganz ehrlich, das wahrzunehmen, wie ein Mensch, der sich als „Lost“ beschreibt, sich wieder wahrzunehmen beginnt. Das ist für mich ein Geschenk.
2) Endlich weg mit dem Schmerz! Gemeinsam. Niemals allein.
Es bin furchtbar gern Pinzette.
Ja, das ist jetzt sicher der Teil der Arbeit, den manche Menschen als „furchtbar gruselig“ oder „extrem anstrengend“ bis hin zu „mega belastend“ befinden.
Diese Begriffe sind mir tatsächlich benannt worden.
Die Arbeit am eigentlichen Trauma kann nur dann erfolgen, wenn mein Klient stabil genug ist (daher beschrieb ich zuvor die Ressourcenarbeit). Nur das macht das Wühlen in seiner Seelenwunde verkraftbar. Nur das führt zu guten, heilsamen Ergebnissen.
Ja, das erfordert viel Feingefühl, viel Mitschwingen und gleichzeitig auf viel respektvolle Distanz.
Ich sehe mich oft als Lokführer, sitze somit im selben Zug, aber an gänzlich anderer Position.
So kann ich den Prozess begleiten.
Ja, auch hier wieder begleiten. Alles, was ich tue, ist respektvolles Begleiten. Mit mir, meiner Fachkompetenz, meiner Seele und Herzenswärme. Und meiner Pinzette. Metaphorisch betrachtet, versteht sich.
Auf unserer Reise in diesem Abschnitt unseres Trauma-Coachings ziehen wir den Dorn aus der Seelenwunde.
Gemeinsam schauen wir uns die Wunde an. Vorsichtig. In individuellem Tempo. Wir inspizieren den Dorn, der den Schmerz verursacht. Um dann, in Kooperation mit meinem Klienten, meine filigrane Pinzette anzusetzen.
Ja, das ist die Stelle die Schmerz verursachen kann. Und, Butter bei die Fische, die es auch meist tut. Es fließen Tränen, manche schreien oder zittern. Kurzum, das ist der Verarbeitungsprozess, wir sortieren ein. Das mag sadistisch klingen. Doch ich bin, so glaube ich, dafür da, genau das zu begleiten. Das begleiten zu dürfen. Weiterhin respektvoll. Und diesen ach so schmerzhaften Prozess erträglich zu machen und zum Erfolg zu führen. Und, ja, das geht.
Immer wieder Balsam auf die Wunde, immer wieder stabilisieren und aktivierte Ressourcen nutzen. Und dabei wahrnehmen, wie der Klient einsortiert und in die Heilung kommt.
Für mich gibt es kaum ein größeres Geschenk, das mir meine Arbeit machen kann.
3) Gesprengte Ketten, verbrannte Erde und dennoch die Wachstumschance erkennen und nutzbar machen. Gemeinsam.
Ich liebe es, Menschen beim posttraumatischen Wachstum zu unterstützen.
Ich liebe es zu sehen, wie sich Menschen befreien. Wie sie Ketten sprengen. Aus ihren Gefängnissen ausbrechen. Wie sie Ballast abladen und es liegen lassen.
Und wenn sie danach an ihrem schrecklichen Erlebten auch noch wachsen – und das geht! – ist das mehr als großartig.
Eine Klientin beschrieb ihren dritten wichtigen Prozess im Trauma Coaching mit einem Waldbrand. Sinngemäß zusammengefasst sagte sie:
„Es gibt Bäume, deren Samen sich nur dann befreien, wenn es brennt. Die nur auf verbrannter Erde keimen können. Die dann zu großen, starken Bäumen heranwachsen und eine neue schöne Waldlandschaft schaffen. Manchmal muss es eben erst brennen.“
Die Klientin hat recht. Sie spricht von Mammutbäumen ebenso wie von ihrem Prozess, der stattfand, nachdem der Dorn gezogen war und Heilung einsetzen konnte.
Denn in jeder großen Gewalt steckt eine enorme Energie.
Die Kunst ist es, sich diese bewusst und trotz des immensen „Feuers“ nutzbar zu machen.
Das ist wieder eines der wunderbarsten Dinge in meinem Job, die ich begleiten und miterleben darf.
Mehr Infos zum posttraumatischen Wachstum in meinem Blog HIER
Dankbarkeit, Fülle und manchmal auch Fassungslosigkeit im positiven Sinne auf beiden Seiten
„Furchtbar gruselig“? „Extrem anstrengend“?
So sagen manche über meinen Job.
Ich verstehe das, ehrlich gesagt, nicht so ganz.
Denn, wie ich schon schrieb:
Ich glaube, ich bin wirklich dafür da, Traumaklienten zu begleiten. Damit sie frei sein und das Leben führen können, was sie verdienen.
Das verdient jeder Mensch in meinen Augen. Ganz egal, um was für ein Trauma es sich handelt. Ob es darum geht, dass die Nase des Mathelehrers traumatisiert oder die Gewalt des Vaters.
Und warum ich das glaube?
Weil ich meinen Job bereichernd empfinde. Nicht als belastend.
Weil es mir Kraft gibt, anderen Kraft zu geben. Nicht als anstrengend.
Weil ich mich, ehrlich gesagt, immer noch und immer wieder selbst wundere, wie gut mir die Kombination aus empathischer Lokführerpinzettentätigkeit und Blick auf andererleuts Wunden gelingt. Und das komplett ohne dass es mit mir selbst als Sandraperson etwas zu machen scheint. Ich war mir anfangs dessen nicht bewusst. Aber:
Das scheint etwas ganz Besonderes zu sein.
Wie oft höre ich „Das könnte ich nicht.“, sodass mein Umfeld (und somit auch Coachkollegen) mir gern genau diese Klienten schicken, deren Themen ihnen nahe gehen.
Ich jedoch weiß: Ich kann das und tue das gern. Beobachte ich es und mich jeden Tag. Auch in der Aftercoachingselbstreflexion mit mir selbst. Denn das ist mir wichtig.
Ich kann das,
vielleicht, weil ich genau deswegen da bin. Weil, leicht spirituell gesagt, ich deswegen da sein soll.