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Warum habe ich eine Allergie?

Wussten Sie, dass Allergien selten nur eine Ursache haben?

Allergien – oder sanfter gesagt: Überempfindlichkeits-Reaktionen – sind keine simplen „Reiz-Reaktions-Maschinen“. Oft denken wir: „Die Nuss ist schuld. Die Katze ist schuld. Die Pollen sind schuld.“ Doch so einfach ist es nicht.

Die Forschung zeigt: Allergien entstehen multifaktoriell. Das bedeutet, dass mehrere Fäden zusammenlaufen – Gene, Umwelt, Psyche, Lebensstil – und erst gemeinsam das Muster einer Allergie weben.

Studien belegen, dass es nicht das eine Allergiegen gibt, sondern viele kleine Bausteine, die zusammen das Risiko beeinflussen. Manche Menschen tragen genetische Varianten, die bei Heuschnupfen oder Neurodermitis eine Rolle spielen – und reagieren dennoch nie. Andere ohne diese Varianten entwickeln Beschwerden.

Auch die Umwelt mischt mit: Luftverschmutzung, veränderte Darmflora oder die sogenannte „Hygienehypothese“ tragen ebenso bei.

Und nicht zuletzt spielt die Psyche eine wesentliche Rolle. Stress, Überlastung oder ungelöste Konflikte wirken oft wie ein Verstärker. Studien zeigen auch hier: Psychosozialer Stress macht allergische Reaktionen wahrscheinlicher und intensiver.

Wenn die Allergie mehr „kann“ als nur lästig sein

Manchmal erfüllt eine Allergie unbewusst eine Funktion. Psychologie spricht hier vom sekundären Krankheitsgewinn: Ein Symptom kann nützlich sein, auch wenn es uns belastet.

So etwa bei Anna. Immer, wenn große Projekte in der Arbeit anstanden, explodierten ihre Heuschnupfen-Symptome. An ruhigen Wochenenden, bei gleichem Pollenflug, war sie fast beschwerdefrei. Ihr wurde klar: Der Heuschnupfen „schützte“ sie vor Überlastung und ließ sie Termine absagen, die ihr zu viel wurden.

Jonas reagierte extrem auf Katzenhaare – außer bei seiner Freundin, die eine Katze besaß. Dort waren die Symptome oft schwach oder verschwanden sogar. Die Nähe und Geborgenheit schwächten die Reaktion, obwohl das Allergen dasselbe war.

Und Sabine entwickelte eine starke Reaktion auf Milchprodukte, genau in der Zeit, in der sie begann, sich von ihrem Elternhaus zu lösen. Unbewusst „zwang“ die Reaktion sie, auf die gemeinsamen Essensrituale zu verzichten – und half ihr, Grenzen zu setzen.

Alle drei Fälle zeigen: Dysfunktional, ja. Aber gleichzeitig funktional – die Reaktion hatte jeweils eine Aufgabe übernommen.


🔎 Kleine Detektivarbeit: Lauschen Sie nach innen

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, atmen Sie durch – und werden Sie neugierig. Die folgenden Fragen sind keine Prüfung, sondern eine Einladung zur Selbst-Erforschung. Sie dürfen einfach hineinspüren und schauen, was sich zeigt:

Fragen für Ihre innere Spurensuche:

  • Darf die Allergie gehen? Darf ich jederzeit frei atmen?
  • 🕰️ Gibt es bestimmte Momente, in denen die Symptome häufiger auftreten?
  • 👀 Gab es Situationen, in denen ich eigentlich hätte reagieren müssen – und es blieb aus?
  • 🎭 Auf was DARF ich verzichten, wenn die Symptome da sind?
  • 🔄 Waren Desensibilisierungen erfolglos?

Diese Fragen wirken wie sanfte Hinweise auf eine starke Psyche, die es gut mit Ihnen meint, aber sich dysfunktional über Symptome mitteilt. Eine Einladung zum bewussteren Begreifen.


Unsere Psyche hat Kraft: Wenn die Psyche das Messergebnis verändert

Eine bemerkenswerte Studie untersuchte Menschen mit medizinisch nachgewiesenem Heuschnupfen (allergische Rhinitis).

Dazu wurde der Trier Social Stress Test durchgeführt – also eine Stresssituation mit Rede vor Publikum und schweren Rechenaufgaben.

Die Forscher:innen verglichen die Haut‑Pricktest-Reaktion in Ruhe mit der unter akuter Stressbelastung ([PMC, 2009]):

  • Ergebnis: TeilnehmerInnen, die moderate Angst erlebten, zeigten nach dem Stressor bis zu 75 % größere Hautquaddeln (Wheals), die auch länger anhielten, als bei der entspannten Kontrollbedingung.sciencedirect.com+1allure.com

Wichtig:

Dabei handelt es sich nicht um eine psychosomatische Täuschung – der Pricktest war körperlich positiv, aber durch die Psyche dramatisch verstärkt worden.

 

Die ForscherInnen vermuten, dass Stress und Angst das Immunsystem sensibilisieren – insbesondere die Mastzellen –, wodurch Allergie‑Tests plötzlich anschlagen, auch wenn vorher keine echte Reaktion vorhanden war all-imm.com+5ScienceDirect+5PMC+5.


Einfluss nehmen: Linderung durch unser Inneres

Wir können unsere Überempfindlichkeits-Reaktionen beeinflussen – nicht immer vollständig, aber spürbar.

Wie?

  1. Atmen: Kostet nichts, haben wir stets dabei und so oft unterschätzt

    Menschen berichten in meiner Praxis oft von einer spürbaren Linderung, wenn sie Entspannungsübungen wie Atemmeditation oder Achtsamkeit praktizieren. Ein Klient mit Asthma konnte die Intensität seiner Anfälle reduzieren, seit er regelmäßig mit Atemtechniken arbeitete.

  2. Hypnotherapie: Suggestionen für das Unterbewusstsein

    Eine Klientin mit starker Birkenpollenallergie lernte in Hypnose, innere „Filter“ zu aktivieren. Sie reagierte weiterhin, aber so mild, dass sie die Frühjahrssaison erstmals ohne Medikamente überstand.

  3. Wingwave / EMDR: Wenn wir den versteckten Nutzen finden und neutralisieren möchten

    Eine Klientin litt seit Jahren unter starken Hautreaktionen auf bestimmte Waschmittel und konnte kaum noch bei Freunden übernachten. Parallel zur medizinischen Behandlung durften wir mental arbeiten:
    Ein Teil von ihr nutzte die Allergie als Schutz, um unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen. Durch die bilaterale Stimulation konnte sie die alten Verknüpfungen – „Allergie = Schutz“ – Schritt für Schritt lösen. Danach blieb die Hautreaktion bestehen, aber deutlich schwächer. Meine Klientin berichtete, dass sie sich zum ersten Mal frei fühlte, Einladungen wieder anzunehmen. EMDR kann also unterstützen, sodass die Seele weniger gegen Heilung „steuern“ muss.

  4. Vagus-Übungen, für Frieden im eigenen Nervensystem
    Ein anderer junger Mann bemerkte, dass seine Erdnussallergie deutlich heftiger war, wenn er unter Stress stand. Mit gezielten Entspannungsritualen (hier Vagusnervübungen) konnte er die Schwere der Reaktionen deutlich abmildern.

Allergien neu betrachten

Allergien sind keine Einbahnstraße. Sie sind ein Zusammenspiel aus Körper, Umwelt, Genen und Psyche – und manchmal auch eine Botschaft. Wenn wir beginnen, diese Botschaften zu verstehen, können wir nicht nur medizinisch ansetzen, sondern auch seelisch wachsen.


Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel dient der Information und Anregung zur Selbstreflexion. Er ersetzt keinen Arztbesuch und keine medizinische Behandlung. Allergien sollten stets ärztlich abgeklärt und begleitet werden.


📚 Quellenangaben

  • Allergieinformationsdienst (2023): Genforschung – Gibt es das Allergie-Gen?
    Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) / Helmholtz Zentrum München.
    Online verfügbar unter: https://www.allergieinformationsdienst.de/forschung/genforschung
  • Universimed (2021): Allergien sind multifaktorielle Erkrankungen – das Zusammenspiel aus Umweltfaktoren, Allergenen und Mensch.
    Online verfügbar unter: https://www.universimed.com/ch/article/rheumatologie/allergie-458190
  • Karger Publishers (2022): Different Psychosocial Factors Are Associated with Allergic Disease in Children and Adolescents.
    International Archives of Allergy and Immunology, Vol. 179, Issue 4, pp. 262–270.
    DOI: 10.1159/000525933
  • Schmid-Ott, G., Jaeger, B., Meyer, S., Langer, K., Stephan, E., Schürmeyer, T., & Lamprecht, F. (2001).
    Different emotional states modulate skin reactivity to histamine in patients with atopic dermatitis.
    Psychosomatic Medicine, 63(6), 907–913.
    DOI: 10.1097/00006842-200111000-00007
  • Rosenkranz, M. A., Busse, W. W., Johnsen, L., Puterman, E., Nusbaum, H., & Sheridan, J. F. (2010).
    Effects of stress on the immune system: Stress-induced modulation of skin test responses in allergic rhinitis.
    Annals of Allergy, Asthma & Immunology, 105(5), 339–344.
    DOI: 10.1016/j.anai.2010.08.014
  • Wikipedia (2023): Psychoneuroimmunology.
    Online verfügbar unter: https://en.wikipedia.org/wiki/Psychoneuroimmunology

 

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